26. Tagebucheintrag

Im Juni 2020 ereignete sich der große Tonnies-Skandal in Rheda-Wiedenbrück. Es gab Massenansteckungen mit dem Covid-19 Erreger. Insgesamt wurde von über 2000 positiv getesteten Mitarbeitern gesprochen. Der Konzern beschäftigt überwiegend Leiharbeiter aus Rumänien und Bulgarien, und bringt diese in Massenunterkünften auf dem Gelände unter. Eine ganze Region wurde damals lahmgelegt und die Fabrik von Tonnies wurde vorrübergehend geschlossen.

Kurzer Hand entschloss ich mich, nach Rheda-Wiedenbrück zu fahren und die Installation vor dem Haupteingang oder dem Werksgelände aufzubauen.

Nach etwa 2 Stunden Fahrzeit kamen wir an der Fabrik an und dem gesamten Team wurde direkt ganz anders. Auf dem Dach des Verwaltungsgebäudes thront ein großes Werbeschild mit einem lachenden Schwein, einer lachenden Kuh und einem Hahn. Ob hier wirklich ein Tier irgendwas zu lachen hat ist fraglich. Auf dem folgenden Foto kann man sehen, wie schlecht es mir aufgrund der Szenerie ging.

Auf den riesigen Parkplätzen am Gelände standen dutzende LKW-Anhänger von bekannten billig Fleisch-Fastfood Marken die teilweile Ihre Ladeflächen offenstehen hatten, aber nirgends eine Menschenseele.

Wir wollten uns zuerst einen Überblick über das Gelände verschaffen und fuhren mit den Transportern einmal um das Werksgelände herum. Eins stand sofort fest, es war ein wirklich riesiges Gelände, das mit hohen Mauern geschützt wurde. Dann steuerten wir den Haupteingang von Tönnies an, da dies sicherlich der beste Platz für die Installation gewesen wäre. Leider wurden wir binnen Minuten von dem Wachschutz vertrieben. Wir fuhren weiter und entdeckten ein paar Meter weiter, auf öffentlichem Grund, einen breiteren Fahrradweg in dessen Hintergrund die Fabrik zu sehen war. Perfekt, hier würden wir uns niederlassen.

Während wir die Installation aufbauten, fing es an zu regnet, was zu der bereits sehr eingetrübten Stimmung passte. Eine ganz merkwürdige Energie lag über diesem Ort. Hier wurden nicht nur Tiere wegen Profit ausgebeutet, nein auch die Mitarbeiter aus Rumänien, Bulgarien und dem restlichen Osteuropa. Man konnte das Leid spüren und dem ganzen Team ging es von Minute zu Minute sichtlich schlechter.

Nach etwa zwei Stunden beschloss ich aus mehreren Gründen die Aktion abzubrechen und packten die Figuren kurzerhand wieder ein und verließen diesen grausamen Ort.

Auf der Autobahn machten wir rast, da wir alle noch nichts gegessen hatten. Das einzige was offen hatte was ein Burger Restaurant. Ohne, dass wir uns im Team abgesprochen hatten, bestelle wir ausschließlich vegetarische Dinge. Wir aßen sehr oft, sogar überwiegend, vegetarisch, das ist es nicht – aber das ausnahmslos jeder vegetarisch bestellt hatte und das gerade in einem Burger Restaurant, das gab es so nur selten.

Auf dem Rückweg überlegte ich, ob wir in die Corona-Hochburg Heinsberg fahren sollten, um die Installation auf dem Marktplatz aufzubauen. Aber ich entschied, dass man hier nicht noch auf den Menschen rumtrampeln musste die eh schon am Boden lagen.

Hier geht die (un)fassbare Reise weiter ➡ Installation „It is like it is“ – Leipzig Augustusplatz