Stumme Zeugen – 135 stumme Zeugen der Flutkatastrophe aus dem Ahrtal
Kunstaktion Nr. 1 | Stumme Zeugen – 135 stumme Zeugen der Flutkatastrophe aus dem Ahrtal in Mainz am Landtag
Am 16. Februar 2024 fand im rheinland-pfälzischen Landtag in Mainz ab 09.00 Uhr eine weitere Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses „Flutkatastrophe“ zum Vorwurf erheblicher Mängel des Katastrophenschutzes während der Jahrhundertflut im Ahrtal statt.
Bereits eine Stunde zuvor, um 08.00 Uhr, hatten sich vor dem Landtag Überlebende aus dem Ahrtal zu einer stillen Mahnwache versammelt, begleitet vom Künstler Dennis Josef Meseg und seiner neuen Installation „Stumme Zeugen“.
Was mussten diese Menschen gelitten haben, als das Hochwasser über sie hereinbrach! Hilflos mitansehen zu müssen, wie alles fortgespült wurde, das gesamte Hab und Gut. Die Todesangst vor den unablässig steigenden, reißenden Fluten. Die panische Suche nach den Angehörigen. Schreie in der Dunkelheit. Und ihr Verstummen.
135 Menschen hatten im Ahrtal am 14. und 15. Juli 2020 ihr Leben verloren. Manch einer hätte vielleicht gerettet werden können, wenn der Katastrophenschutz zügig und vor allem effektiv gehandelt hätte. Doch das tat er offenbar nicht, obwohl es frühzeitige Warnungen gab.
Natürlich musste man Expertenmeinungen einholen und belegbare Fakten sorgfältig prüfen. Denn niemand durfte fälschlicherweise angeklagt werden. Aber es sollte auch niemand ungestraft davonkommen, dem man Versäumnisse nachweisen konnte, die zum Verlust von Menschenleben führten.
Zerstörte Existenzen ließen sich wieder aufbauen. Hierzu war ja auch von den Behörden schnelle und unbürokratische Hilfe versprochen worden. Wie immer. Ebenfalls wie immer kamen auch zahlreiche Politiker ins Katastrophengebiet, zum Fototermin. Einige waren betroffen, andere setzten betroffene Mienen auf, einer lachte.
Und alle reisten schnell wieder ab. Ohne auf die Frage zu warten, wer dafür verantwortlich war, dass so viele Menschen sterben mussten. Bis heute wurde dieses Thema hin und her geschoben, klein geredet und sogar mit der fälschlichen Behauptung, die Flut sei nicht vorhersehbar gewesen, dem Schicksal als einzigem Schuldigen zugeschoben.
Sie sind nach Mainz gekommen, die Überlebenden aus dem Ahrtal, für eine letzte stille Mahnwache. Der Installations-Künstler Dennis Josef Meseg war an ihrer Seite und hatte symbolisch all jene mitgebracht, die nicht mehr sprechen können.
135 weiß umwickelte Schaufensterpuppen, darunter eine Jugendliche und drei Kinder. Große und kleine Menschen, die vielleicht noch unter uns wären, wenn die verantwortlichen Behörden schnell und richtig gehandelt hätten.
So waren sie noch einmal bei ihren Angehörigen, die unschuldigen Opfer der Flutkatastrophe, um den Lebenden im Landtag zu sagen: „Wir wären so gerne noch hier!“
📝 Text Ricarda Reich
Foto Serie 1 | 📸 Fotos Dennis Josef Meseg
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Foto Serie 2 | 📸 Fotos Dennis Josef Meseg
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Foto Serie 3 | 📸 Fotos Dennis Josef Meseg
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Zum Hintergrund:
Ende Januar kontaktiert mich Inka Orth über meine Website. Sie schilderte mir kurz ihr sehr tragisches Schicksal. Sie und ihr Mann Ralph Orth haben bei der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 ihre 22-jährige Tochter Johanna Orth verloren.
Frau Orth fragte mich, ob ich Ihre geplante Mahnwache in Mainz am 16. Februar 2024 mit einigen meiner Figuren unterstützen könnte. Nach kurzer Überlegung war klar, dass ich dafür keine Figuren aus der bereits bestehenden und mit anderen Botschaften stark aufgeladenen Installation nehmen kann. Kurzerhand entwickelte ich im Team innerhalb weniger Tage eine neue Installation, die noch tiefer unter die Haut gehen sollte als alle bisherigen Installationen mit in Flatterband eingewickelten Figuren.
Schnell war klar, dass die Installation aus 135 verschiedenen Schaufensterfiguren bestehen würde, die fest mit weißem Flatterband umwickelt ihre stumme Botschaft vermitteln sollten. Darunter auch zwei Kinder und ein Jugendlicher.
Als aussagekräftigen Titel für die Installation wählte ich diesmal “Stumme Zeugen – 135 stumme Zeugen der Flutkatastrophe aus dem Ahrtal”.
Wenige Stunden später standen schon die ersten Helferinnen und Helfer im Atelier, um wieder einmal wertvolle Lebensstunden in meine Installation zu investieren. Meine Dankbarkeit gegenüber dem gesamten Team lässt sich mit dem gezahlten Stundenlohn kaum ausdrücken.
Eine Woche und wieder zu Spitzenzeiten, 20 helfende Hände später war die letzte Figur einen Tag vor der Mahnwache fertiggestellt.
Eine weitere Reise in eine entrückte und emotionale Welt menschlicher Abgründe konnte beginnen. Und es wird eine lange Reise.
Zum ersten Mal werden meine Figuren nicht als stellvertretende Masse in der Öffentlichkeit stehen, sondern bei dieser Installation wird jede Figur für genau ein Todesopfer aus dem Ahrtal 2021 stehen.
Foto Serie 4 | 📸 Fotos Heiko Heinen
Foto Serie 5 | 📸 Fotos Petra Nottebaum
Kunstaktion Nr. 2 – Die 135 Stumme Zeugen der Flutkatastrophe aus dem Ahrtal nehmen Fahrt auf
Am 27.04.2024 setzte ein Schiff der besonderen Art in Remagen seine Segel. An Bord befanden sich 135 stumme Zeugen der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal 2021. Das Schiff startete um 6:00 Uhr morgens in Remagen und lief fast pünktlich um 18:00 Uhr in den Mainzer Hafen ein. Unterwegs passierte das Schiff unter anderem das Deutsche Eck in Koblenz und ein Stadtfest in der Nähe von Wiesbaden.
In den sozialen Medien wurde dazu aufgerufen, sich solidarisch zu zeigen und mit weißen Tüchern, Bettlaken oder T-Shirts vom Ufer aus der vorbeifahrenden Stummen Zeugin, den Überlebenden der Flutkatastrophe und dem Team des Künstlers Dennis Josef Meseg zuzuwinken.
Dutzende Menschen standen anschließend entlang des Ufers zwischen Remagen und Mainz und zeigten so ihre Solidarität mit den Hinterbliebenen und ihrem Kampf für eine lückenlose Aufklärung.
Mit an Bord waren Inka und Ralph Orth, die am 14.06.2021 ihre Tochter in den Fluten verloren haben und alles daran setzen, dass der Fall zu einem fairen und aufklärenden Gerichtsverfahren kommt.
Nach 12 Stunden Fahrt war es endlich soweit und das vollbesetzte Schiff lief zu den Klängen von Max Richters Rekomposition von Vivaldis Vier Jahreszeiten in Mainz ein. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, denn alle ungläubigen Blicke der am Rheinufer flanierenden Besucher hafteten gebannt auf dem Schiff und den 135 weißen Figuren.
Foto Serie 1 | 📸 Fotos Heiko
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Foto Serie 2 | 📸 Fotos Christopher Goebel
Auf einem sanften Fluss gleiten sie dahin, die stummen Zeugen des Lebens und der Zeit. Auf dem Deck des gecharterten Personenschiffs finden sich 135 Figuren, jede ein stilles Mahnmal, jede ein Echo vergangener Geschichten. Sie waren einst fest verankert vor dem Landtag in Mainz, und nun erheben sie sich auf den Wellen des Rheins, auf einer Reise von Remagen nach Mainz, als schwimmende Mahnwache.
Inka und Ralph Orth haben es zusammen mit dem Aktionskünstler Dennis Josef Meseg geschafft, die Stille in Bewegung zu setzen. Die Figuren, jede für sich ein stummer Zeuge der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021, erheben sich über das Wasser, als ob sie die Erinnerungen und die Bedeutung ihrer Anwesenheit weitertragen wollen. Ihre stille Präsenz erinnert uns an die Vergänglichkeit des Lebens und an die Verantwortung, die wir gegenüber der Geschichte und denjenigen, die sie geformt haben, tragen.
Während das Schiff den Fluss entlang gleitet, mögen die Gedanken der Passagiere und derer, die von den Ufern aus zuschauen, zu philosophischen Betrachtungen über das Leben, die Zeit und die Bedeutung von Erinnerungen werden. Die stummen Zeugen sind mehr als nur Figuren auf einem Schiff – sie sind Symbole für das Unausgesprochene, für die Geschichten, die nie erzählt wurden, und für die Hoffnung, dass wir aus der Vergangenheit lernen und eine bessere Zukunft gestalten können.
Möge ihre Reise auf dem Fluss des Lebens uns alle dazu anregen, innezuhalten und darüber nachzudenken, wie wir unsere eigene Geschichte gestalten und wie wir die stummen Zeugen ehren können, die uns auf unserem Weg begleiten.
Abfahrt: Samstag, den 27.04.2024 um 6:00Uhr am Bootsanleger der Bonn Schifffahrtsgesellschaft.
Ankunft: Am selben Tag um ca. 18:00Uhr am Bootanleger “Fischtor” in Mainz.
#StummeZeugen #JustizskandalFlutkatastrophe2021
Kunstaktion Nr. 3 | Stumme Zeugen – 135 stumme Zeugen der Flutkatastrophe aus dem Ahrtal in Hannover zur Justizministerkonferenz 2024
Pünktlich um 8:00 Uhr standen die 135 Stummen Zeugen in Hannover vor dem Herrenhaus in dem vom 05.-06.06.2024 die Justizministerinnen und Justizminister der Bundesländer tagen.
Nachdem von Malu Dreier, der Justizministerin aus Rheinland-Pfalz keine Antwort auf das am 27.04.2024 übergebene Schreiben von Inka und Ralph Orth erfolgte, beschlossen die Beiden ihr einen Besuch bei der diesjährigen Justizministerkonferenz abzustatten. Kurzerhand entschied ich mich, die 135 Stellvertreterinnen und Stellvertreter der Opfer der Flutkatastrophe aus Rheinland-Pfalz mit auf die Reise zu schicken.
Foto Serie 1 | Hannover Tag 0 Vorbereitungen | 📸 Fotos Christopher Goebel
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Foto Serie 2 | Hannover Tag 1 | 📸 Fotos Christopher Goebel
Foto Serie 3 | Hannover Tag 1 | 📸 Fotos Klaus Stein
Foto Serie 4 | Hannover Tag 2 | 📸 Fotos Christopher Goebel
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Stadtarchiv Mainz
Hinterlegung von Fotos der Installation im Stadtarchiv Mainz
Unter dem Aktenzeichen 471210, Tgb. Nr. 32673/24 wurden einige Fotos für die Nachwelt hinterlegt.
Mit freundlicher Unterstützung in Form von 10% Rabatt auf die 135 Schaufensterfiguren von MOCH Figuren/ Köln
Die Aktion wurde finanziell vom Künstler selber getragen.
Diese riesen Wolke, beängstigend gross und schwarz konnte man im Taunus sehen. Als wäre man in einem Weltuntergangs Film. Schnell ins Haus, dachte ich. Plötzlich blieb sie stehen. Heute ist bekannt was dann geschah. Die Politiker wirken handlungsunfähig. Komisch, bei der Installation des Herren aus Hamburg als neuer ARD Chef in Mainz konnten die Politier bis aufs kleinste die Wahl perfekt organisieren. Die alte SWR Führung trat wie auf Befehl zurück, bekamen neue , gute Posten irgendwo im ARD Imperium. Der Rundfunkrat wählte brav den Herrn aus Hamburg. Der bekamm wohl gleich eine ordentliche Gehaltserhöhung zur Begrüssung. Hier lief die Politik zu organisatorischer Höchstform auf.
Sehr geehrter Herr Meseg,
vielen Dank für die eindrucksvolle Präsentation aller 135 Flutopfer auf der Fahrt nach Mainz.
Ich bin die Mutter vom Steve und möchte auf diesem Weg, DANKE sagen. Dieser Tag war für uns sehr, sehr emotional.
Alles Gute für Sie und Ihr Team.
Danke!
Hallo Simone,
es hat mich gefreut, dass wir uns begegnet sind an dem Morgen der Abfahrt, auch wenn es nur kurz war. 🙂 Wir haben Dein Plakat bis nach Mainz gebracht und es haben viele Menschen gesehen. Am 05.+06.06. reist in Installation zur Konferenz der JustizministerInnen nach Hannover und zum traurigen Jahrestag an 14.07. ins Ahrtal. Vielleicht begnen wir uns ja dort nochmal. LG, Dennis ❤️
Hallo, sehr geehrter Herr DJ MESEG,
das ist eine treffliche und wertvolle Aktion – denn irgendwo haben wir alle ein Gewissen.
Und die Entscheider trifft man am besten durch soverän-sichtbares Schweigen.
Verbal-Attacken beherrschen sie im Schlaf,
um sich dann um am 15-07-21 punkt 5:33 Uhr und 45 Sekunden – als in der Stille der Nacht 134 Mitbürger und Mitmenschen qualvoll und unwürdig in den Stromschnellen der Ahr verstarben – mit den Worten
“Lieber R, ich bin wieder erreichbar!”
auf die Bühne des Alltags-Politgeschehens
“ordnungsgemäß” (zynisch) “zurückzumelden” (zynisch).
Traurig, mitfühlend und fassungslos
Thilo Kerth, HEY
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Eine tolle und sehr mitfühlende Aktion! Schlimm, das sie notwendig ist! Aber mit deiner Art wie du es umsetzt, triffst du mittenrein und das auf eine sehr behutsameweise und respektvolle Weise ❤️🙏
Danke😏